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Bombenanschlag gegen die "Wehrmachtsausstellung" in Saarbrücken

Einleitung

In den frühen Morgenstunden des 9. März explodierte am VHS-Zentrum in Saarbrücken, wo derzeit die Wanderausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« gezeigt wird, eine Bombe. Es entstand ein Sachschaden von mehreren hundertausend Mark. Auch die Fenster umliegender Gebäude gingen zu Bruch. Verletzt wurde niemand.

Foto: Christian Ditsch

Der frühere Neonazi-Terrorist Peter Naumann (links) 1999 auf einer Veranstaltung mit Horst Mahler (rechts) in Leipzig.

Höhepunkt einer rechten Kampagne

Keine Anfänger und keine Bastler« war das erste Gutachten der Sprengstoff-Experten des Landeskriminalamtes (LKA) nach dem Anschlag. Nach Ermittlungen der Polizei wurde die Bombe mit dem militärischem Sprengstoff "Hexogen" gebaut. Der oder die Täter, die selbst die Kriminalisten und Politiker im rechten Lager vermuten, hatte(n) demnach wohl ihre Sprengladung (vermutlich eine Rohrbombe mit drei bis vier Kilogramm Sprengstoff) mit technischem Sachverstand und Fachwissen über Sprengmittel exakt in einer Außenecke des Gebäudes plaziert und elektronisch gezündet. Vermutlich beobachtete(n) er/sie noch die zwei Beamten, die zehn Minuten vor der Explosion ihren Rundgang am VHS-Gebäude machten.

Die Wucht der Detonation beschädigte das Gebäude schwer. Fast alle Fensterscheiben wurden beschädigt, Türen und Rahmen aus der Verankerung gerissen. Sogar ganze Mauerteile des Gebäudes wurden verschoben. Auch die Fenster und der Altar der benachbarten Schloßkirche wurden durch die Explosion zerstört. Splitter der Bombe wurden noch in einer Entfernung von rund 150 Metern auf einer Autobahnzufahrt gerunden. Die Ausstellung selbst blieb allerdings mehr oder weniger unbeschädigt.

In einem Bekenner-Schreiben hieß es nach Informationen aus Sicherheitskreisen: "Die Kölner Kameraden warten auf Heer seine Mittäter." 1 Ein Teil des verwendeten Zündkabels lag einem Bekenner-Schreiben bei. Eine LKA-Sonderkomission tappt bei der Fahndung nach dem/den Täter(n) bis jetzt im Dunkeln.

Dabei dürfte es diverse Ermittlungsansätze geben. So wurden beispielsweise bei Antonio F., einem führenden Neonazi aus Friedrichsthal/Billstock, im Juli 1997 bei einer Hausdurchsuchung u.a. selbstgebastelte Rohrbomben und Sprengstoff gefunden. Einige Wochen vor dem Anschlag, am 20. Februar 1999, konnten etwa 400 Neonazis in Saarbrücken gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« aufmarschieren. Neben der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) hatte ein "Aktionsbündnis Saar gegen die Anti Wehrmachtsausstellung" zu der "Protestdemonstration des nationalen Widerstandes" aufgerufen. Zum Neonazi-Bündnis gehörten die neonazistische Gruppierung "Der Stahlhelm - Kampfbund für Europa" LV Saar und "Der Stahlhelm - Kampfbund für Europa" LV Pfalz um Hans-Jürgen Hertlein. Auch der NPD LV Saar und der NPD Landkreis Saarpfalz, die "Blood & Honour"-Sektion Saar um Petra M. und Oliver N., sowie Einzelmitglieder der REPs und der DVU waren hier aktiv. Die meisten TeilnehmerInnen kamen aus der Region Saarbrücken und aus Karlsruhe.

Der Aufmarsch selbst verlief ohne größere Störungen, da das Konzept der Stadt, um jeden Preis eine Wiederholung von Kiel zu vermeiden, vollends aufging. In Kiel gelang es autonomen AntifaschistInnen mit dezentralen Aktionen, eine Verkürzung der Neonazidemo zu erreichen. Um dies in Saarbrücken zu verhindern, hatte die Stadt Saarbrücken in einem einstündigen Treffen mit Vertretern der Neonazis die Aufmarschroute in ein gut zu kontrollierendes Stadtviertel verlegt. Als Gegenleistung für die weniger attraktive Route bekamen die Neonazis einen Parkplatz und Pendelbusse zur Verfügung gestellt. Antifaschistische Aktivitäten wurden von der Stadt Saarbrücken weitestgehend behindert. So wurden einige Kundgebungen kurzfristig untersagt und die Route der Demonstration des "Bündnis gegen Rechts" verlegt. Dennoch gelang es fast 150 AntifaschistInnen, in die Nähe des Neonazi-Treffpunktes zu gelangen. Nachdem die Neonazis hier ungestört losmarschiert waren, zogen die AntifaschistInnen in einer spontanen Demonstration durch die Innenstadt. Nach einigen Provokationen durch vereinzelte Neonazis kam es zu kleineren Auseinandersetzungen. Die Polizei nutzte diese Gelegenheit, um Jagd auf AntifaschistInnen zu machen. An einem genehmigten Kundgebungsplatz wurden 150 Personen eingekesselt und 95 Personen verhaftet. Insgesamt landeten im Laufe des Tages 126 AntifaschistInnen in Polizeigewahrsam. Einige bekamen einen Rädelsführer-Tatvorwurf, da sie Handys benutzt hatten. Neun Neonazis wurden verhaftet, weil sie gefährliche Gegenstände mit sich führten.

Auf der Abschlußkundgebung der Neonazis sprachen der JN-Bundesvorsitzende Holger Apfel, die (Neo)Nazi-Rentnerin Marianne Henning, der ehemalige "Die Republikaner"-Spitzenkandidat Aloys Lehmler und der als Neonazi-Terrorist verurteilte Peter Naumann.

Bombenfunde beim Stahlhelm

Am 12. Januar 1998 und am 3. März 1998 kam es in Rheinland-Pfalz zu umfangreichen Waffenfunden in Neonazi-Kreisen, darunter bei Mitgliedern von "Der Stahlhelm - Kampfbund für Europa", jener Gruppierung die auch gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« mobilisierte. Bei Josef Maria Sutter in Kreimbach-Kaulbach und weiteren Personen aus dem Raum Kaiserslautern, fand die Polizei:

- Kriegswaffen: Eine MP 5, eine MP M 25, zwei MP 40, zwei MP Skorpion; eine Panzergranate
- Langwaffen: Ein Gewehr, zwei Karabiner
- Kurzwaffen: Zwei Pistolen
- Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV): Ein selbstgebauter Wurfkörper mit Reißzünder, eine selbstgebaute Mine
mit Treibladungspulver
- Sonstiges: Waffenteile, große Mengen Munition, große Mengen Treibladungs- und Schwarzpulver

Mitglieder des „Stahlhelms“ hatten auch an den Neonazi-Demonstrationen gegen die Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« in München am 1. März 1997, in Bonn am 24. Oktober 1998 und in Kiel am 30. Januar 1999 teilgenommen.

Bombenfunde bei Peter Naumann

Auch der Demonstrations-Redner Peter Naumann ist im Zusammenhang mit dem Anschlag nicht uninteressant. Der ehemalige stellvertretende JN-Bundesvorsitzende (1976) hat nämlich schon eine längere "Bomben-Karriere" hinter sich. 1974 wurde er durch selbstgebaute Sprengkörper bekannt, als er sich beim Bomben-Basteln an der Hand schwer verletzte. Ein Feuerwerker kam ums Leben, nachdem er einen der Sprengkörper entschärfen wollte. Im August 1978 waren Peter Naumann und Heinz Lembke für einen Sprengstoffanschlag auf ein antifaschistisches  Denkmal (Fosse Ardeatine) in der Nähe von Rom verantwortlich. 1979 war Peter Naumann an der Sprengung von zwei Sendemasten beteiligt, um dadurch die Ausstrahlung der Fernsehserie "Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß" zu verhindern. Weitere Ermittlungen gegen Peter Naumann wegen der versuchten Befreiung von dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß durch einen Bombenanschlag und diverse anderen geplante Sprengstoffdelikte folgten.

1988 wurde Peter Naumann zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten unter anderem wegen der Herbeiführung eines Sprengstoffanschlages, der Verabredung zu Sprengstoffanschlägen und dem Verstoß gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verurteilt. 1990 wurde er allerdings vorzeitig wieder entlassen. Am 2. März 1995 fanden Kriminalbeamte in Wohnungen von Peter Naumann in Wiesbaden und in Frielendorf erneut zwei Rohrbomben. Im August 1995 enttarnte Peter Naumann gegenüber dem Bundeskriminalamt (BKA) zehn mit Waffen und Sprengstoff gefüllte Erddepots in Niedersachsen und Hessen. Unter anderem wurden drei Handfeuerwaffen, fast 200 kg Sprengstoff, Gewehr- und Handgranaten, Minen sowie eine größere Menge Munition sichergestellt.

Militanter Ausstellungsgegner Manfred Roeder

Aber auch der verurteilte (Neo)-Naziterrorist und NPD-Bundestagswahlkandidat Manfred Roeder machte immer wieder mit militanten Aktionen gegen die mißliebige Ausstellung »Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 - 1944« von sich reden. Zuletzt verübte er im Juni 1996 einen Farbbeutelanschlag auf die Ausstellung in Erfurt. Die von Manfred Roeder gegründete terroristische Neonazi-Vereinigung „Deutsche Aktionsgruppen“ verübten in den 1980er Jahren verschiedene Brand- und Sprengstoffanschläge unter anderem auf das Landratsamt Esslingen, in dessen Räumen eine Auschwitz-Ausstellung stattfand. 1982 wurde Manfred Roeder wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auch er wurde 1990 wegen guter Führung und günstiger Sozialprognose vorzeitig entlassen.

Fazit

Klar ist, daß dieser Anschlag der Höhepunkt einer seit zwei Jahren andauernden Kampagne einer Allianz von Geschichtsleugnern ist. Diese reicht von Neonazis über die REPs, Vertriebenenverbände, Soldatenvereinigungen bis hin zu Teilen der CDU/CSU. Die NPD und die "Freien Kameradschaften" nutzen das Thema, um ihre Anhänger kontinuierlich zu mobilisieren.

  • 1Für die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung war u.a. Hannes Heer verantwortlich.