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Das Spektrum der neonazistischen Bruderschaften

Einleitung

Derzeit aktive neonazistische Bruderschaften tragen Namen wie „Brigade 8“, „Blood Brother Nation“, „Midgards Wächter“, „Sons of Asgard“, „Wodan Bruderschaft“, „Bru­derschaft H8“, „Road Crew“ oder „Sturm­gruppe 44“. Manche bestehen aus einem halben Dutzend Personen, andere haben Hunderte Mitglieder und Supporter. Manche werden so schnell von der Bildfläche verschwinden, wie sie erschienen sind, andere gibt es seit über 20 Jahren. Nachfolgend betrachten wir unterschiedliche Facetten des Modells Bruderschaft und stellen Gruppen vor, die dafür exemplarisch stehen.

Foto: Dokumentiert von facebook

Aufstellung des „German Black Metal Commandos“ (GBMC). Unter der linken Fackel fängt die Wiese an zu brennen. Rituale fördern den Zusammenhalt und das elitäre Selbstbild.

Die bedeutendste Gruppe in diesem Spektrum sind zweifellos die Hammerskins, die sich als Skinhead-Bruderschaft und Elite der gesamten Neonaziszene verstehen. Das AIB hat in den vergangenen Ausgaben wiederholt ausführlich über Hammerskins berichtet.1

Rechtsrock und Terror seit über 20 Jahren — Die Vandalen

Die älteste rockerähnliche Neonazi-Bruderschaft, die Wert darauf legt, kein MC zu sein, sind die Berliner „Vandalen — Ariogermanische Kampfgemeinschaft“.
Gegründet 1982 in Ostberlin treten sie seit jeher in Kutten auf. Der Kreis aktiver Mitglieder dürfte derzeit nicht mehr als 20 Personen betragen und dennoch sind die Vandalen im neonazistischen Spektrum hochgeachtet und enorm einflussreich. Seit über 20 Jahren betreiben sie das Geschäft mit neonazistischer Musik und die Vermarktung von Bands wie „Landser“, „Tätervolk“, oder „Die Lunikoff Verschwörung“ — Bands, in denen jeweils mindestens ein Vandale mitwirkt.

„Landser“ existierte von 1992 bis 2001 als Untergrund- und Kultband der Szene und gab sich das Image der „Terroristen mit E-Gitarre“. Bandleader war der Vandalen-Gründer Michael „Lunikoff“ Regener, der heute mit der Band „Die Lunikoff Verschwörung“ auftritt. Zusammen mit „Blood & Honour“-Aktiven bildeten die Vandalen bis in die 2000er Jahre eine klandestine und kriminelle Struktur zur Herstellung und Verbreitung illegaler Neonazimusik, die im Rechtsrock-Business einmalig gewesen sein dürfte: Aufnahmen der CDs in Tonstudios in Kanada oder Skandinavien, Verschiffung tausender CDs beispielsweise nach Holland, deren Schmuggel nach Deutschland und die flächendeckende Verbreitung über regionale Gewährsleute. 2001 wurde das System von der Polizei ausgehoben, 2003 wurden die Bandmitglieder von Landser verurteilt, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben.

Gegen Personen, die sich als unzuverlässig erwiesen oder in ihre Geschäfte eindrangen, gingen die Vandalen rigoros vor. Als im Jahr 2000 bekannt wurde, dass der Chemnitzer „Blood & Honour“-Aktivist Thomas Starke gegenüber der Polizei Aussagen bezüglich „Landser“ gemacht hatte, wurde er von einem Rollkommando um den Vandalen Jean-René B. zu Hause aufgesucht und verprügelt. Starke zog seine Aussagen zurück. Der bewaffnete Überfall auf den damaligen Betreiber des Neonazi-Ladens Werwolfshop in Wismar, Philip Schlaffer2 , im Jahr 2006 weist in eine ähnliche Richtung. Alexander Bahls, damals Bandmitglied von „Die Lunikoff Verschwörung“, überfiel mit zwei weiteren Personen Schlaffer und forderte 10.500 Euro Entschädigung, da dieser unautorisiert Artikel der Band vertrieben haben soll. Auch Bahls wird dem Kreis der Vandalen zugerechnet.3

Ein wichtiger Protagonist der Vandalen ist der Musiker und Tätowierer David Allan Surette, genannt „Griffin“. Der Kanadier ist ein Urgestein der internationalen Rechtsrock-Szene und Vandalen-Ehrenmitglied. Ende der 1990er Jahre hatte er „Landser“-Produktionen in Kanada organisiert, zu mehreren Veröffentlichungen von „Landser“ und „Die Lunikoff Verschwörung“ steuerte er Booklet-Zeichnungen bei. Surette wohnt heute in Erkner bei Berlin, betreibt das „The Mad Piper“-Tattoostudio in Berlin-Kaulsdorf und tritt mit seinem Soloprojekt „Griffin“ auf Konzerten im In- und Ausland auf.

Die Drähte mancher Vandalen in rechtsterroristische Kreise sind ausgesprochen kurz. Ein Beispiel ist der Vandale Bendix Wendt („Dr. Vanda“), der Anfang der 1990er Jahre regen Kontakt zu militanten österreichischen Neonazis unterhielt. Dem Österreicher Peter B. lieferte er Zündmaschinen zum Bombenbau und verschaffte ihm Zugang zu zehn Kilogramm Sprengstoff. B. stand 1993 zeitweise unter dringendem Verdacht, Mittäter einer neonazistischen Briefbombenserie in Österreich zu sein, wurde jedoch freigesprochen. Kurz nach den Anschlägen im Dezember 1993 wurde er auf dem Weg nach Berlin festgenommen. Im Kofferraum seines PKWs fanden sich u.a. 13 Gewehre und Zutaten zur Herstellung von Nitroglycerin.

In den letzten Jahren wurde es ruhiger um die Vandalen. Anzutreffen sind sie auf Kampfsportevents („Fight-Nights“), vor allem, wenn Vandalen-Mitglied Matthias G. als Kämpfer antritt. Vandalen wie Surette, Wendt und der mittlerweile 50-jährige Regener haben große Bedeutung als sogenannte „enabler“, „Ermöglicher“. Sie unterhalten gewachsene Kontakte im In-und Ausland, die vom rechts-terroristischen Milieu über Netzwerke wie „Blood & Honour“ (B&H) und „Hammerskins“ bis hin in Parteien wie die NPD reichen. Sie sind Autoritätspersonen, die Türen öffnen, Referenzen ausstellen und Leute zusammenführen. Eine Einladung zum jährlichen, nicht öffentlichen Treffen der Vandalen ist eine Art Ritterschlag in der Neonaziszene. 2002 waren es knapp 200 Personen, die daran teilnahmen. Es trafen sich dort unter anderem Bendix Wendt, sein alter Freund Peter B., Personen des ehemaligen Chemnitzer B&H sowie Maik Eminger von der „Weißen Bruderschaft Erzgebirge“.

„Brigade 8“, „Nordic 12“, „Blood Brother Nation“

Die „Brigade 8“, kurz B8, wurde im Jahr 2012 vom Neonazi Christian Muff aus Schleswig gegründet und zählt zu den umtriebigsten Neonazi-Bruderschaften in Deutschland. Sie hat einen Ableger in der Schweiz und unterhält nach eigenen Angaben Chapter in sieben Bundesländern. Als „General“ der „Brigade 8“ tritt derzeit Marc Jekat aus Barsinghausen (bei Hannover) auf. Kernregion der B8 ist Bremen und Umland. Durch den Umzug des Bremer Neonazis Lutz M. nach Weißwasser entstand in Ostsachsen der zweitgrößte Ableger der B8. Schnell fand er in und um Weißwasser „Brüder“, die danach drängten, mit Rangabzeichen der B8 ausstaffiert zu werden. Auf dem Grundstück von Lutz M. befindet sich das Clubheim des Chapters Weißwasser, der „Brigade-Bunker“, in dem regelmäßig kleinere Konzerte stattfinden, beispielsweise mit dem B8-Liedermacher Mario Graviat (aka „Brauni“) aus Oberfranken.

Für einzelne Mitglieder war die B8 das Sprungbrett in führende Rockergruppen. So schloss sich Sebastian G. von der B8-Sektion Hannover 2014 den Hells Angels an und Christian Muffs „Karriere“ führte 2015 in den „United Tribuns MC“, den er jedoch nach wenigen Monaten aufgrund eines Fehlverhaltens verlassen musste.
Mitglied der „Brigade 8“ war auch der Bremer Andreas Lohei, dessen Neonaziband „Legion Germania“ der B8 eine eigene Hymne schrieb. Lohei ist das Beispiel eines Neonazis, der immer groß herauskommen und ganz nach oben wollte, es jedoch nie schaffte. Vor einigen Jahren suchte er Anbindung an die Bremer Hammerskins, bekam mit ihnen aber Ärger, da er seine damalige Band „Endlöser“ unautorisiert als Hammerskin-Band präsentiert hatte. Auch in der B8 hielt es Lohei nicht lange. Er verließ die Gruppe und schuf sich mit „Nordic 12“ seine „eigene“ Bruderschaft, die ebenfalls im Bremer Raum ansässig ist. „Nordic 12“ kann heute auf zwei bis drei Dutzend Mitglieder verweisen, über das Label „Nordic Valkyrien“ sind auch Frauen an die Struktur angebunden.

Ein enges Verhältnis besteht zwischen „Nor­dic 12“ und der Bruderschaft „Blood Bro­ther Nation“ (BBN), die ihre deutschen Schwerpunkte in den Regionen Oldenburg, Magdeburg und Frankfurt an der Oder hat. Ein Exponent der BBN in Deutschland ist der Rathenower Thomas Lange, der als Liedermacher „Teutonicus“ (auch: „Toitonicus“) bei Demonstrationen des extrem rechten „Bür­gerbündnis Deutschland“ in Rathenow auftritt.
Die BBN gründete sich in der Provinz Gävleborg in Schweden und verbreitete sich von dort aus in andere Länder. Anders als manch andere neonazistische Bruderschaft bekennt sich die BBN offen zur „White Power“-Bewegung. In ihrem Selbstverständnis heißt es: „Wir sind eine weiß-nationalistisch denkende Bruderschaft und erwarten von jedem Mitglied mit Vernunft danach zu handeln.“ In Schweden ist die BBN mit den dortigen Strukturen des „Blood & Honour“-Netzwerkes verbunden. Die Rekrutierung von Mitgliedern findet unter anderem in dieser Szene. Das Label „Sniper-Records“, welches seit vielen Jahren B&H-Bands verlegt, ist für das Merchandise der BBN zuständig.

„Echte Rocker“ — Der „Schwarze Schar MC“

Neonazis der „Werwölfe Wismar“ machten den Schritt von der Neonazikameradschaft zum Rockerclub ohne jeden Umweg und gründeten 2008 den „Schwarze Schar MC“. Präsident des MC war der Wismarer Philipp Schlaffer. Gegenüber der örtlichen Politik und einigen Medien präsentierte sich der „Schwarze Schar MC“ als eine Art Ausstiegsprogramm für Neonazis und das mit durchschlagendem Erfolg: Eine örtliche Unternehmerin und CDU-Politikerin gab Schlaffer ein Darlehen von 90.000 Euro zum Kauf eines Clubhauses in Gägelow bei Wismar. Tatsächlich verstand sich der Club ausdrücklich als „Onepercenter“-Motorradclub. Der Code „1%“, der als Patch auf den Kutten getragen wird, steht in der Rockerszene für das Bekenntnis zu einem kompromisslosen Outlaw-Leben.4

Der „Schwarze Schar MC“ war wegen Gewalttaten berüchtigt. 2013 stach ein Mitglied auf einen Besucher eines Festes in Hagenow ein, nachdem dieser sich über dessen Kutte lustig gemacht hatte. Dies war nur einer von 75 Fällen, die das LKA Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf den Club registrierte, bis dieser Ende Dezember 2013 verboten und die Clubimmobilie beschlagnahmt wurde. Nach dem Verbot waren mindestens sechs ehemalige Schar-Mitglieder in den Handel mit Drogen verwickelt, der ihnen Haftstrafen bis zu fünfeinhalb Jahren einbrachte. Unter anderem war Kokain von Bremen nach Wismar transportiert worden. Ein Kontaktmann in Bremen war Sascha M., Mitglied der extrem rechten Hooligan-Gruppe „Standarte Bremen“. Den nächsten logischen Schritt im Werdegang einzelner „Schwarze Schar“-Mitglieder markierte jüngst der Übertritt des ehemaligen Vizepräsidenten Sebastian Kairies zum Hells Angels MC.

"Männer mit Verantwortung" — Das „German Black Metal Commando“

Für das Bedürfnis nach Distinktion in einer unübersichtlich werdenden Black Metal-Szene steht seit 2013 die Bruderschaft „German Black Metal Commando“ (GBMC). Sie sammelt Neonazis, die sich „alten Werten“ verschreiben und zugleich völkisch und zukunftsorientiert geben.

Gegründet wurde das GBMC von René Wagner alias „Ash” und „Kanwulf“, Macher des extrem rechten Black-Metal-Projektes "Nargaroth". Wagner erzählt, dass er „Männer im Black Metal” vermisse, die „Verantwortung für ihre Familien, ihren Körper und Geist tragen.“ Sein Antrieb zur Schaffung des GBMC seien die „verkrüppelten Existenzen“ gewesen, von denen er im Fitness-Studio umgeben gewesen sei.5

Der Ex-Soldat Wagner fand für sein GBMC bislang um die 20 Brüder in Österreich, Deutschland und Belgien. Martialische Inszenierungen mit Kutten, Fahnen, Fackeln und Sturmhauben auf Szene-Konzerten, rituelle Zeremonien sowie Camps mit Kampfsport- und Survivaltrainings sollen den Korpsgeist der Bruderschaft stärken. Scheinbar mühelos gelingt es dem GBMC, die destruktiven und misantrophischen Elemente des Black Metal mit Werten wie Familie, Zusammenhalt, Verantwortung und Zukunft zu verbinden.

Neonazistische virtuelle Bruderschaften — „Right Wing Resistance“

Anders als bei den bisher erwähnten Gruppen ist das Label des „Right Wing Resistance“ (RWR) für jeden und jede offen. Seit seiner Gründung 2009 in Neuseeland suggeriert RWR, eine weltumspannende „Brotherhood“ zu sein. Das Design des RWR-Emblems ist stark an eine Rockerkutte angelehnt: Das obere Patch („Top Rocker“) mit dem Namen „Right Wing Resistance“, das untere Patch („Bottom Rocker“) mit dem jeweiligen Chapter-Namen. Hinzu kommt der Treueschwur „RFFR“ („Resistance Forever Forever Resistance“).

RWR bekennt sich mit martialischen Posen und Sprüchen zur White-Power-Ideologie und propagiert den bewaffneten Kampf gegen „Islamisierung und Überfremdung“. In Deutschland traten RWR-Angehörige bislang allenfalls durch das Tragen von RWR-Kleidung in Erscheinung. In England hingegen demonstrierte eine britische RWR-Sektion zusammen mit den „North West Infidels“, einer extrem rechten Abspaltung der „English Defence League“ (EDL), am 30. Januar 2016 in Dover dagegen, dass England eine „islamische und afrikanische Müllhalde“ würde.
Bemerkenswert ist, dass RWR über soziale Netzwerke ein offenes Label anbietet. Um dabei zu sein braucht es kein persönliches Kennenlernen, keine Teilnahme an RWR-Treffen und keine Aufnahmeprozedur. Der RWR wird darüber zur Karikatur der Bruderschaft, denn es fehlt ihm an jeglicher Exklusivität und Verschworenheit, zudem bekleiden dort auch Frauen Führungspositionen.

Doch deckt RWR die Bedürfnisse von Neonazis, die organisationsfeindlich oder -müde sind, keine Anbindung haben und ihre elitäre Aufwertung nun durch ein Label im Sozialen Netzwerk erfahren. Der RWR markiert eine Mischung aus neonazistischer Organisierung und vitueller Fantasie. Vergleiche mit der Netzgemeinschaft der Online-Gamer, die sich in virtuellen Clans und Bruderschaften zusammenschließen und fiktive Ränge und Funktionen zuweisen, drängen sich auf.

Das Business mit dem Brotherhood-Style

Letztlich ist „Bruderschaft“ in der Neonaziszene noch eines: Eine Geschäftsidee. 35 Dollar kosten die frei verfügbaren Mitglieder-Shirts der RWR im eigenen Versand. Auch Christian Muff begann praktisch mit Gründung der „Brigade 8“ dessen Supporter-Merchandise zu vermarkten. Mit den neonazistischen Bruderschaften stark verbunden ist der floriende „Bad-Boy-Look“. Dieser bedient — im Gegensatz zum Label des „Nationalen Widerstand“ — auch Personen außerhalb neonazistischer Szenen, beispielsweise in Rocker-, Kampfsport-, oder Fußballmilieus.

Mit den Motiven von Kampf, Mafia, Gangster, Waffen, Rotlicht und Sex & Crime gelang bereits Marken wie „Label 23“ oder „Yakuza“ der Sprung aus der rechten Szene. Wenn Christian Muff auch fürs Erste bei den Rockern des „United Tribuns MC“ gescheitert sein mag, so bleibt ihm sein Unternehmen „Kamikaze187 Gangwear & Elite Sportswear Cartel“ sowie seine Bekleidungsmarke „Kamikaze 187“. Darüber bietet Muff auch eine Produktlinie für Frauen an, erhältlich sind unter anderem die Motive „Criminal Outlaw Society Lady“ und „Deutsche Deern“.