Die DVU Fraktion in Sachsen Anhalt
Matthias Gärtner (Mitglied der PDS-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt ) (Gastbeitrag)Mit dem Einzug von sechzehn rechtsextremen DVU-Abgeordneten am 26. April 1998 in den Landtag von Sachsen-Anhalt ist zum ersten Mal eine politische Kraft aus diesem Spektrum in ein Parlament in den neuen Bundesländern eingezogen. Ein von München aus gesteuerter und mit drei Millionen DM finanzierter Phantomwahlkampf überzog das gesamte Land Sachsen-Anhalt. Die Hauptbotschaften waren durch Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus geprägt. Das waren auch die zentralen Motive von insbesondere jungen Wählerinnen und Wählern, der rechtsextremen DVU ihre Stimme zu geben.
Insgesamt knapp 33% der 18 - 21jährigen männlichen Wähler machten bei der Landtagswahl ihr Kreuz bei der Frey-Partei. Die neue Qualität im Vergleich zum DVU-Einzug in die Landesparlamente von Schleswig-Holstein und Bremen bestand darin, daß nunmehr nicht fünf oder sechs Rechtsextreme parlamentarische Möglichkeiten besitzen, sondern insgesamt sechzehn. Sie könnten somit auch bei einer möglichen Spaltung nach Sachsen-anhaltischer Landtagsgeschäftsordnung drei Fraktionen bilden.
Wochenlang feierte Parteichef Gerhard Frey dieses Ergebnis in seinen rechtsextremen Postillen. »Zierde« des Parlamentes nannte er die sechzehn Abgeordneten seiner aus München gesteuerten Fraktion im Sachsen-anhaltischen Landtag. Hatten die Medien noch im Wahlkampf auf eine kritische Berichterstattung verzichtet, widmeten sie sich nunmehr intensiv den Abgeordneten der DVU, ohne sich allerdings mit den gefährlichen Inhalten auseinanderzusetzen.
So wurde Fraktionsvorsitzender Helmut Wolf der Körperverletzung überführt. Helmut Wolf hatte seine schwangere Frau geschlagen und tyrannisiert. Torsten Miksch soll seinen Hund in den Brunnen geworfen haben. Gegen ihn ist ein Verfahren wegen Tierquälerei anhängig. Jörg Büchner, ehemaliger Buffetleiter bei der Mitropa, wurde als langjähriger Spitzel des DDR-Staatssicherheitsdienstes enttarnt. Mirko Mokry, jüngster Abgeordneter im Parlament, zeichnete sich durch das Malen von Hakenkreuzen an Friedhofsmauern aus und beging auch schon einmal Fahrerflucht, nachdem er das Fahrrad eines Kindes überrollt hatte. Überhaupt ist die Fraktion eine illustre Mischung von Biographien. Die vermeintliche Vorzeige-Rechtsextreme Claudia Wiechmann war bis 1989 Mitglied der SED, ebenso wie ihr Fraktionskollege Dieter Kannegießer. Alterspräsident Rudi Wiechmann, Vater von Claudia Wiechmann, saß nach der Wende für die FDP im Kreistag von Gräfenhainichen.
Im Gegensatz zu den Mitgliedern der DVU-Fraktionen in Bremen und Schleswig-Holstein verfügen sie allerdings alle nicht über eine einschlägige rechtsextreme Biographie. Dafür aber um so mehr der auch in der Magdeburger Fraktion als Fraktionsgeschäftsführer tätige Frey-Emissär Heinrich Gerlach. Er leitete bereits die Geschicke der beiden gescheiterten Fraktionen in Bremen und Schleswig-Holstein. „Der hat uns anfangs ganz schön rangenommen“, charakterisierte einmal ein DVU-Abgeordneter die Rolle Gerlachs in der Sachsen-anhaltischen Landtagsfraktion. Zu den Lenkern der Fraktionsgeschicke gehört auch der unter Sondervertrag stehende und von Frey geschickte Matthias Canis. Nur durch einen einstimmigen Fraktionsbeschluß kann sein Vertrag gekippt werden. Seit kurzem hat die Fraktion einen neuen Berater erhalten, der innerhalb der rechtsextremen Parteienszene nicht völlig unbekannt ist. Prof. Dr. Günter Bernard arbeitet nunmehr für die DVU-Fraktion. Bernard wurde 1993 zum Landesvorsitzenden der rechten Partei "Die Republikaner“ (REP) in Sachsen gewählt. Er war Soziologieprofessor und Ausländerbeauftragter an der Leipziger Uni, bis 1989 Mitglied der SED und 25 Jahre an der Sektion »wissenschaftlicher Kommunismus« der Uni tätig. Noch 1989 schrieb er hochinteressante Abhandlungen über »Die Einheit von Technik, Ökonomie und Soziologie bei der Anwendung von Schlüsseltechnologien«. Für die REPs kandidierte Bernard dann 1994 zur Bundes- und Landtagswahl auf der sächsischen Landesliste. Aufgrund von Protesten mußte Bernard seinen Posten an der Uni in Leipzig räumen. Im Zuge der Annäherung von Franz Schönhuber (REP) und Gerhard Frey ist Bernard zur DVU übergewechselt und mußte offenbar versorgt werden.
Im täglichen parlamentarischen Geschäft nähert sich die Fraktion der DVU mittlerweile teilweise Bremer und Schleswig-Holsteiner Niveau. Im Mittelpunkt der Antrags- und Fragetätigkeit stehen zumeist die Kosten für Asylbewerber, Drogenbekämpfung, Ausländerkriminalität, PDS und Linksextremismus, Gewalt in Medien und Tierhaltung. Aber auch das Jahr 2000 war der DVU-Fraktion eine sogenannte Große Anfrage und einen entsprechenden Antrag wert. Eine ganze Kanonade solchen Unsinns kündigte DVU-Fraktionschef Wolf in einer Presseerklärung der Fraktion wie folgt an: »Wie aus der Fraktion der Deutschen Volksunion im Landtag von Sachsen-Anhalt zu erfahren war, wird die DVU-Fraktion anläßlich der Plenarsitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt am 21.01. 1999 in ihren Debattenbeiträgen zu den von ihr gestellten Anträgen sowie in weiteren bereits angekündigten Redebeiträgen des DVU-Fraktionsvorsitzenden, Dipl.-Ing. Helmut Wolf, einige richtungsweisende neue politische Vorschläge zur Lösung der Probleme des Landes sowie auch interfraktioneller Grundsatzentscheidungen dem Landtagsplenum wie auch der Öffentlichkeit vorstellen.«
In den Debatten fiel Wolf insbesondere durch menschenverachtende verbale Entgleisungen auf. Homosexualität bezeichnete er als »sexuelle Abartigkeit«, die Landesregierung wird als »Höppner-Regime« bezeichnet, für den DVU-Abgeordneten Claus-Dieter Weich beginnt die Geschichte der PDS mit den »Terroristen und Mördern« Liebknecht und Luxemburg.
Mitte Februar diesen Jahres wurden das erste Mal die bereits lange vor sich hinschwelenden Konflikte innerhalb der DVU-Fraktion öffentlich. Vier DVU-Parlamentarier verließen die Fraktion aus verschiedenen Gründen. Torsten Miksch und Jörg Büchner wurden von Gerhard Frey persönlich aus der Partei und anschließend aus der Fraktion ausgeschlossen - offiziell wegen Tierquälerei beziehungsweise Stasi-Connection. Offenbar nur vorgeschobene Gründe, denn bereits am selben Tag erklärten zwei weitere Abgeordnete den Austritt aus der Fraktion. Horst Montag und Werner Kolde folgten Torsten Miksch und Jörg Büchner als fraktionslose Abgeordnete. Tage vorher versuchten offensichtlich diese und weitere vier Abgeordnete, Fraktionschef Helmut Wolf durch einen Putsch des Amtes zu entheben. Dies hatte man bei einem Geheimtreffen ausgemacht. Der Coup flog auf, die DVU-Parteizentrale in München griff ein und versuchte durch Einschüchterung und finanzträchtige Postenvergabe, einen Teil der Abtrünnigen wieder auf Linie zu bringen, was einstweilen auch gelang.
Torsten Miksch, der anschließend bekannt gab, daß er Kontakte zur NPD pflegt und die Gründung einer zweiten rechtsextremen Fraktion nicht ausschließt, plauderte Tage danach ausführlich gegenüber Medienvertretern die Innereien der DVU-Fraktion aus. 1.000 DM müßte jeder Abgeordnete ohne Spendenquittung nach München abführen, die Mitarbeiter seien zum Großteil von Gerhard Frey geschickt, die Verwendung der 120.000 DM monatlichen Fraktionsgelder sei nicht nachvollziehbar für den einzelnen Abgeordneten, die Fraktionsräume seien mit massenhaft Druckerzeugnissen aus dem Hause Gerhard Frey ausgestattet und Fraktionschef Helmut Wolf würde jede kritische Diskussion in der Fraktion mit der Bemerkung: »Keinen Knatsch in der Familie« unterbinden. Daß sich eine neue rechtsextreme Fraktion gründet, erscheint angesichts der unterschiedlichen Biographien und politischen Ansichten der ausgetretenen Fraktionsmitglieder als eher unwahrscheinlich. Ex-Stasi-Mann Jörg Büchner und der unter DDR-Zeiten politisch verfolgte Werner Kolde scheinen keine gemeinsampolitisch funktionierende Mixtur zu ergeben.
Trotzdem hat der NPD-Vorsitzende Udo Voigt seinen Mann in Sachsen-Anhalt, Steffen Hupka, beauftragt, Gespräche und Kontakte zu ehemaligen und noch-DVU-Abgeordneten zu suchen, um mögliche Kooperationen zu vereinbaren. Glaubt man Hupka, verhandelt die NPD mit vier ehemaligen und aktuellen DVU-Abgeordneten, darunter Torsten Miksch.
Die politisch etablierten Kräfte im Landtag von Sachsen-Anhalt feierten den Abgang der vier Abgeordneten als den Anfang vom Ende der DVU, den man ja schon lange vorausgesehen habe. Im Parlament taten sich jedoch insbesondere SPD und Landesregierung schwer im Umgang mit der DVU. So ließen sie die diskriminierenden Äußerungen und Reden von Abgeordneten der Rechtsaußenpartei meist unbeantwortet im Raume stehen und überließen es der PDS, gebührend zu antworten.Die CDU hat zunehmend das Problem (oder auch nicht), daß sie sich des Beifalls der DVU-Fraktion sicher sein kann. Die Nähen dieser beiden Unionsparteien wurden besonders bei der Debatte zur Doppelten Staatsbürgerschaft deutlich. Die Gefahr, die durch die Austritte verstärkt wird, besteht darin, daß, nachdem die DVU zur Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt nur 3,2% erhalten hat und nicht in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern eingezogen ist, das Problem auf die leichte Schulter genommen wird und eine öffentliche und offensive parlamentarische und außerparlamentarische Auseinandersetzung mit dem Verweis auf vermeintliche Unbedeutsamkeit unterbleibt. Damit würde aber verkannt werden, daß wir es mit einem rassistischen Denken zu tun haben, das aus der Mitte der Gesellschaft kommt und dort fest verankert ist.